Wie nachhaltig ist China wirklich?

China, der grösste CO₂-Emittent, setzt stark auf erneuerbare Energien, aber sein hoher Kohleverbrauch von 50 % schadet der Nachhaltigkeit. Ein Umbau des Emissionshandels ist nötig, um deutliche Fortschritte zu erzielen. Unser Blog würdigt Chinas Nachhaltigkeit, vor allem zu Umwelt und Klima.

Chinesische Mauer

Inhaltsverzeichnis

China verzeichnet als weltweit grösster CO₂-Emittent grosse Fortschritte beim Ausbau erneuerbarer Energien. Allerdings schmälert der hohe Kohleanteil von 50 % am Energiebedarf die Nachhaltigkeit des Landes.

Ein Umbau des chinesischen Emissionshandels ist erforderlich, damit das Land bei der Nachhaltigkeit deutliche Fortschritte erzielen kann.

Einführung

China ist das Land der Superlative, der Gegensätze und der Kontroversen. Die Nachhaltigkeit des Landes betrifft auch uns als Konsument:innen.

Im Fünfjahresplan von 2021 bekräftigte China sein Ziel, bis spätestens 2060 eine Netto-Null-Emissionsbilanz zu realisieren; zehn Jahre später als die westliche Welt. Erst ab 2030 sollen sich die CO₂-Emissionen deutlich reduzieren.

In diesem Blog würdigen wir Chinas Nachhaltigkeit. Dabei fokussieren wir uns auf das Thema Umwelt / Klima und werden die Themen Soziales und Governance in späteren Blogs beleuchten.

China weltweit mit den grössten CO₂-Emissionen

Chinas Exporterfolg der letzten 50 Jahre vervielfachte die CO₂-Emissionen um den Faktor 14. In China werden mittlerweile 31 % der weltweiten Emissionen ausgestossen. Damit liegt es deutlich vor dem zweitgrössten Emittenten, den USA, mit einem Anteil von 14 %.

CO₂-Ausstoss weltweit nach Ländern (2022)

CO₂-Ausstoss weltweit nach Ländern (2022)
Quelle: globalcarbonatlas.org, LLB (eigene Darstellung)

Starker Ausbau der erneuerbaren Energien in China

China investierte 2021 mehr in erneuerbare Energien als jede andere Nation, sogar im Vergleich mit westlichen Ländern. Chinas Investitionen in neue Energien übertrafen das Doppelte derjenigen der USA und das Fünffache derjenigen von Deutschland. Der starke Ausbau spricht für die Nachhaltigkeit des Landes.

Investitionen in erneuerbare Energien von ausgewählten Ländern (2021; in USD Mia.)

Investitionen in erneuerbare Energien von ausgewählten Ländern (2021; in USD Mia.)
Quelle: Energy Transition Investment Trends 2022, LLB (eigene Darstellung)

Als Konsequenz dieser Investitionen tragen erneuerbare Energien und Wasserkraft bereits etwa 20 % zur Stromversorgung bei. Dieser Anteil ist mit westlichen Ländern gut zu vergleichen und dürfte mittelfristig deutlich steigen.

Primärenergie in China für den Zeitraum 2019–2022

Primärenergie in China für den Zeitraum 2019–2022

Kohle deckt über 50 % des Primärenergiebedarfs

Die hinsichtlich CO₂-Emissionen sehr ungünstige Kohle deckt jedoch weit über 50 % des aktuellen Energiebedarfs ab. Zum Vergleich: Deutschland deckt 17 % des Energieverbrauchs durch Kohle ab. China müsste diesen Anteil deutlich reduzieren und wesentlich mehr in erneuerbare Energien investieren.

Die politische Ausgangslage würde es der Zentralregierung ermöglichen, mehr für die Energiewende zu tun. Im Dezember 2022 wurde aber beschlossen, die Kohlekraftwerke auszubauen.

Westliche Länder wollen das Netto-Null-Ziel bereits vor 2050 realisiert haben. China lässt sich aber gemäss seiner eigenen Planung bis spätestens 2060 Zeit. Als weltweit führender Produzent wäre das Land jedoch reich genug, um die Energiewende schneller zu realisieren.

«Westliche Länder wollen das Netto-Null-Ziel bereits vor 2050 realisiert haben.»

Welthandel spielt eine wesentliche Rolle für Chinas CO₂-Emissionen

Ein Grossteil des Energiehungers Chinas ist der äusserst erfolgreichen Exportwirtschaft geschuldet. Die Güter müssen einerseits hergestellt und andererseits nach Übersee transportiert werden. Der Energiebedarf für die Produktion der Exportgüter ist unbekannt.

Eine Quantifizierung hingegen ist beim Transport der Güter möglich: Der Verkehr generiert rund 24 % der weltweiten CO₂-Emissionen, davon sind gemäss des «International Transport Forums» 7 Prozentpunkte auf den Welthandel zurückzuführen. Chinas Anteil beläuft sich auf 2–3 %.

«Ein Grossteil des Energiehungers Chinas ist der äusserst erfolgreichen Exportwirtschaft geschuldet.»

Der chinesische Emissionshandel ist nicht mit dem europäischen zu vergleichen

China mischt im Markt der nachhaltigen Produkte kräftig mit. Beispiele:

  1. Es werden immer mehr chinesische Elektrofahrzeuge exportiert: Bis 2020 wurden jährlich rund 1 Million Personenwagen und Nutzfahrzeuge exportiert. Die Anzahl der exportierten Fahrzeuge stieg rasant an, von 3 Millionen im Jahr 2021 auf 6 Millionen im Jahr 2022. 
  2. Weitere Exportschlager sind chinesische Photovoltaik-Anlagen, die – auch dank Subventionen – deutlich Marktanteile gewinnen konnten. 
  3. Des Weiteren ist China für die Digitalisierung und Elektrifizierung von Industrieprozessen bekannt.

Um hinsichtlich Nachhaltigkeit vorbildlich zu sein, müsste China seinen CO₂-Emissionshandel (Emission Trading System, ETS) weiterentwickeln. In der Ausgestaltung des chinesischen ETS gibt es drei wesentliche Unterschiede zum europäischen ETS:

  1. Im Gegensatz zum europäischen ETS gibt es im chinesischen ETS keine absolute Obergrenze für CO₂-Emissionen. 
  2. In China überprüfen das zentrale Umweltministerium oder regionale Umweltbehörden die CO₂-Emissionen der Unternehmen, in Europa sind es Drittparteien. Gerade in einem so zentralistischen System wäre eine unabhängige Kontrollinstanz wichtig.
  3. Die CO₂-Emissionspreise betragen lediglich ein Zehntel der europäischen Emissionspreise. Diese geringere Besteuerung zementiert die Wettbewerbsfähigkeit Chinas.
«Um hinsichtlich Nachhaltigkeit vorbildlich zu sein, müsste China seinen CO₂-Emissionshandel (Emission Trading System, ETS) weiterentwickeln.»

CBAM-Steuer bringt Gegenwind für chinesische Exporte

Diese Unterschiede bei der Ausgestaltung des ETS rächen sich besonders ab 2026: Unter der Abkürzung CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) versteht man das europäische CO₂-Grenzausgleichssystem.

Bei der CBAM handelt es sich um eine CO₂-abhängige Steuer für Importgüter von ausserhalb der EU. Die Steuer will eine Produktionsverlagerung in Länder mit günstigen CO₂-Emissionspreisen erschweren.

China hat sich mehrmals gegen die ab 2026 fällig werdende CBAM-Steuer gewehrt, zuletzt an der Klimakonferenz 2023. Die CBAM-Steuer wird die chinesischen Exporte verteuern, wobei sie nicht immer an die Kund:innen überwälzt werden kann.

Die Gewinnmargen vieler chinesischer Unternehmen dürften unter Druck kommen, wenn sie ihre Marktanteile in Europa nicht reduzieren.

Der chinesische Aktienmarkt als Ganzes erfüllt unsere Klimakriterien nicht

wiLLBe investiert nur dann in nachhaltige Aktien, wenn die drei Klimafilter impliziter Temperaturpfad, CO₂-Emissionsintenstität und Energieintensität erfüllt sind. Der MSCI China erfüllt keines der drei Kriterien.

Der implizite Temperaturpfad beträgt 3.2 °C (verglichen mit 2.5 °C beim MSCI World), die CO₂-Emissionsintensität 1.8 (Gramm CO₂ pro USD-Marktkapitalisierung je Tag; MSCI World 0.19) und die Energieintensität 9.5 (Megawattstunden pro USD Marktkapitalisierung je Tag; MSCI World 0.64).

MSCI China im Direktvergleich zum MSCI World mit zu hohen Klimawerten

 MSCI World 1)MSCI China
Implizite Temperatur2.5 °C3.2 °C
CO₂-Emissionen20.191.8
Energiekonsum (MWh)30.649.5

1) Je investierten CHF

2) Gramm CO₂ pro USD Marktkapitalisierung, je Tag

3) Megawattstunden pro USD Marktkapitalisierung, je Tag

Quelle: MSCI ESG, LLB

Fazit

Der Anteil der erneuerbaren Energien und der Wasserkraft am Energiemix Chinas ist durchaus vergleichbar mit jenem von westlichen Ländern. Diese Tatsache sowie die lange Liste nachhaltiger Produkte würden die These stützen, dass die chinesische Wirtschaft nachhaltig ist.

Dennoch zählen wir China nicht zu den nachhaltigen Volkswirtschaften.

Der sehr hohe Anteil von Kohle am Primärenergiebedarf ist ein wichtiges Argument. Auch die Unterschiede zwischen dem chinesischen und europäischen ETS hinsichtlich der Überprüfung der CO₂-Emissionen und der CO₂-Emissionspreise stützen die These der Nachhaltigkeit nicht.

Insgesamt schätzen wir die Nachhaltigkeit Chinas nicht so hoch ein wie jene von westlichen Ländern.

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Portrait Javier Lodeiro

Javier Lodeiro

Experte für Impact Investing bei wiLLBe

Egal, ob es um erneuerbare Energien, nachhaltige Anlagen oder Biodiversität geht, Javier Lodeiro behält den Durchblick. Als LLB-Fondsmanager und langjähriger Finanzanalyst verfolgt und analysiert er bei der LLB die Nachhaltigkeitstrends. Javier begleitet dich auf deinem Weg als Investor:in mit Impact gerne mit Hintergründen und praktischen Tipps, damit wir nachfolgenden Generationen gemeinsam eine möglichst intakte Welt übergeben können.